Perlen aus Straußeneierschalen belegen 10.000 Jahre interkulturellen Austausch in ganz Afrika
Neue archäologische Analysen stellen langjährige Hypothesen über Perlen aus Straußeneierschalen und die Verbreitung des Pastoralismus in Afrika in Frage
Perlen aus Straußeneierschalen zählen zu den ältesten Schmuckstücken der Menschheit und Funde aus Ausgrabungsstätten in Afrika konnten auf ein Alter von mindestens 50.000 Jahren datiert werden. Frühere Untersuchungen im südlichen Afrika haben gezeigt, dass die Perlen vor etwa 2.000 Jahren, als Hirtenpopulationen zum ersten Mal in die Region kamen, an Größe zunahmen. In der aktuellen Studie nutzten die Wissenschaftlerinnen Jennifer Miller und Elizabeth Sawchuck von der Abteilung für Archäologie des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte eine deutlich erhöhte Datenmenge, um diese Hypothese für eine bislang nicht untersuchte Region erneut zu prüfen und zu evaluieren.
Rückblick auf alte Ideen, Untersuchung alter Sammlungen
Für ihre Studie erfassten die Forscherinnen die Durchmesser von 1200 OES-Perlen mit einem Alter von bis zu 10.000 Jahren aus 30 Ausgrabungsstätten in Afrika. Viele der Messungen wurden an jahrzehntealten, bislang nicht untersuchten Sammlungen durchgeführt, über die hiermit erstmals berichtet wird. Die Zahl der veröffentlichten Messungen von Perlendurchmessern steigt damit von weniger als 100 auf mehr als 1000 und enthüllt dabei Entwicklungen, welche bisherigen Überzeugungen entgegenstehen.
Die OES-Perlen spiegeln unterschiedliche Reaktionen auf die Einführung der Herdenhaltung in Ost-und Südafrika wider. Im südlichen Afrika traten zeitgleich mit den Anzeichen für Herdehaltung auch neue Perlenstile in Erscheinung, ersetzten jedoch nicht die bestehenden Perlentraditionen der Jäger- und Sammler. In Ostafrika hingegen kam es mit der Einführung der Herdenhaltung zu keiner Veränderung des Perlenstils. Die Perlen aus dem östlichen Afrika sind fast durchweg größer als jene aus dem südlichen Afrika. Jedoch weisen die größeren Perlen der südafrikanischen Viehhirten eine ähnliche Größe auf wie die der ostafrikanischen Jäger und Sammler, was auf einen Kontakt zwischen den Regionen im Rahmen der Ausbreitung der Viehzucht schließen lässt. „Diese Perlen sind Symbole, die von den Jägern und Sammlern beider Regionen über einen Zeitraum von etwa 40,000 Jahren hergestellt wurden“, so Jennifer Miller, Hauptautorin der Studie, „Veränderungen – oder auch fehlende Veränderungen – dieser Symbole erzählen uns, wie diese Gemeinschaften auf kulturellen Kontakt und wirtschaftlichen Wandel reagiert haben.“
OES-Perlen erzählen die Geschichte früher Interaktion
Die Geschichte, welche die OES-Perlen erzählen, ist nuancierter als bisher angenommen. Der Kontakt mit externen Hirtengruppen führte wahrscheinlich zusammen mit domestizierten Tieren auch neue Formen von Perlen ein, aber die archäologischen Aufzeichnungen deuten darauf hin, dass dieser Einfluss die bestehenden lokalen Traditionen nicht verdrängte. Die bestehenden Bräuche wurden nicht durch neue ersetzt, sondern fortgesetzt und einige der neuen Elemente in sie integriert.
Für das östliche Afrika wurde in dieser Studie der Zusammenhang zwischen Veränderungen im Stil der Perlen und der Ankunft des Pastoralismus erstmals untersucht. Hier scheint es zu keinen Veränderungen gekommen zu sein. Dies kann daran liegen, dass örtliche Jäger und Sammler die Herdenhaltung zwar übernahmen, ihre Traditionen der Perlenherstellung jedoch beibehielten. Denkbar ist auch, dass einwandernde Viehhirten örtliche Traditionen in der Herstellung übernahmen. "In der modernen Welt erzeugen Migration, kultureller Kontakt und wirtschaftlicher Wandel oft Spannungen", sagt Sawchuk, "auch frühere Bevölkerungsgruppen erlebten diese Situationen, und die Veränderungen kultureller Güter wie der Perlen aus Straußeneierschalen eröffnen uns die Möglichkeit zu erforschen, wie sie auf diese Erfahrungen reagierten.“
Die Wissenschaftlerinnen hoffen, dass diese Untersuchungen das Interesse an OES-Perlen wieder anregt und empfehlen, dass in zukünftigen Studien einzelne Perlendurchmesser statt ein einziger Durchschnittswert verwendet werden sollte. „Diese Studie zeigt, dass die Untersuchung alter Sammlungen auch ohne neue Ausgrabungen zu wichtigen Erkenntnisse führen kann," sagt Miller, "und wir hoffen, dass künftige Studien, den Reichtum an Artefakten nutzen werden, die bereits ausgegraben, aber noch nicht untersucht wurden."