Ball oder Plüschtier – "Wissen" Hunde, was sie riechen?
Ob bei der Suche nach Personen oder unterschiedlichsten Substanzen – der ausgezeichnete Geruchssinn von Hunden ist allgemein bekannt. Weitgehend unerforscht ist jedoch, wie Hunde verstehen, was sie mit ihrem Geruchssinn wahrnehmen. In einer heute in der Fachzeitschrift Journal of Comparative Psychology veröffentlichen Studie sind Wissenschaftlerinnen des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte dieser Frage nachgegangen und haben Hinweise darauf gefunden, dass Hunde bei der Aufnahme einer Geruchsspur eine „mentale Repräsentation“ des Zielobjekts besitzen. Das heißt: Sie haben eine Vorstellung davon, was sie am Ende einer Spur erwartet.
Insgesamt testeten Studienleiterin Juliane Bräuer, die auch der Abteilung Biologische Psychologie und Kognitive Neurowissenschaft (Institut für Psychologie) der Friedrich-Schiller-Universität Jena angehört, und ihre Mitarbeiterinnen 48 Hunde, von denen 25 eine Ausbildung bei der Polizei oder der Rettungsstaffel hatten, 23 waren „Familienhunde“ ohne besondere Ausbildung. Die Tests wurden mit finanzieller Unterstützung der schweizerischen Albert-Heim-Stiftung in den Räumen für Hundestudien des Jenaer Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte durchgeführt.
Mit einem Vortest wurden für jeden Hund zwei Spielzeuge ermittelt, die er gerne apportierte. Im Test selbst folgte jeder Hund insgesamt vier Mal ohne Begleitung einer Geruchsspur, die mit einem der beiden Spielzeuge gezogen worden war. Am Ende der Spur erwartete die Hunde entweder das Spielzeug, mit dem die Spur gelegt worden war (Normalbedingung) oder aber das andere (Überraschungsbedingung). Die Spielzeuge konnten durch eine Hintertür ausgetauscht werden. Dafür wurden sie am Ziel geruchsdicht verpackt bzw. einer geruchssicheren Verpackung entnommen. Die Hälfte der Hunde wurde im ersten Durchgang unter der Normalbedingung getestet, die anderen 24 unter der Überraschungsbedingung. Das Verhalten der Hunde wurde bei allen Testdurchgängen gefilmt.
„Aus meiner Erfahrung von anderen Studien hatte ich angenommen, dass die Überraschung dadurch messbar sein würde, dass sich die Hunde in der Überraschungsbedingung anders verhalten würden als in der Normalbedingung“, beschreibt Juliane Bräuer ihren Studienansatz. „Tatsächlich zeigten eine ganze Reihe von Hunden vor allem im ersten Testdurchgang der Überraschungsbedingung ein interessantes Verhalten, das wir als ‚Zögern‘ bezeichneten: Obwohl sie das Spielzeug offensichtlich wahrgenommen hatten, suchten sie weiter, vermutlich nach dem Spielzeug, dessen Geruchsspur sie gefolgt waren.“
Allerdings verschwand dieser „Überraschungseffekt“ in den nachfolgenden Testdurchgängen. Das könnte daran liegen, dass die Hunde, egal welches Spielzeug sie apportiert hatten, durch Spielen belohnt wurden, oder auch daran, dass es im Raum trotz Säuberung noch nach den Spielzeugen der voran gegangenen Testdurchgänge roch.
Nach Juliane Bräuers Einschätzung sind die Ergebnisse des ersten Testdurchgangs dennoch ein Hinweis darauf, dass Hunde bei Aufnahme einer Spur eine mentale Repräsentation des Zielobjektes besitzen, das heißt, dass sie eine konkrete Erwartung für das Ziel haben, wenn sie eine Geruchsspur verfolgen. „Interessant war auch der Vergleich zwischen Arbeitshunden und Familienhunden“ fügt Juliane Bräuer hinzu. Obwohl die Polizei- und Rettungshunde erwartungsgemäß im ersten Durchgang schneller suchten und apportierten als die Familienhunde, so lernten diese doch innerhalb von vier Durchgängen, genauso schnell und zielstrebig zu sein wie ihre Verwandten mit Ausbildung. Weitere Studien sollen helfen, die genaue Verbindung zwischen Geruchswahrnehmung, Suchverhalten und Kognition zu verstehen.
Weitere Informationen über Juliane Bräuers Hundestudien finden Sie auf der Webseite Forschung mit Hunden.