Tropische Wälder offenbaren Wurzeln des Anthropozäns
Ein neuer Artikel in Nature Ecology & Evolution zeigt, wie die interdisziplinäre Erforschung von Interaktionen zwischen Mensch und Umwelt genutzt werden kann, um die Ursprünge des Anthropozäns zu verstehen und aktuelle Herausforderungen anzugehen
Menschliche Aktivitäten haben ein neues Zeitalter unseres Planeten hervorgebracht – das Anthropozän – und bringen uns zu Kippelementen, die den Zustand der Erde unwiderruflich verändern können. Um die Herausforderungen des Anthropozäns bewältigen zu können, benötigen wir ein besseres Verständnis über dessen Entstehung, einschließlich der Rückkopplungen und Kippelemente zwischen menschlichen Aktivitäten und verschiedenen Teilen des Erdsystems.
Obwohl sich die Auswirkungen durch den Menschen in den letzten Jahrhunderten beschleunigt haben, offenbart die Erforschung der Vergangenheit unserer Spezies, dass der Mensch das Erdsystem seit Jahrtausenden beeinflusst hat und dass Schwellenwerte für Interaktionen zwischen Mensch und Erdsystem überschritten wurden. Dies gilt vor allem für Umgebungen wie Tropenwälder, wo Veränderungen von Vegetation und Böden erhebliche Konsequenzen auf verschiedene Teile des Erdsystems haben können - von der globalen biologischen Diversität bis hin zum Kohlenstoffkreislauf.
Eine neue Studie unter der Leitung von Forschenden des Max-Planck-Instituts für Geoanthropologie in Jena (MPI-GEA) untersucht das Potenzial menschlicher Aktivitäten in tropischen Wäldern, die Rückkopplungen mit dem Erdsystem initiiert haben. Weiterhin zeigt sie auf, dass für die Erstellung von Planetenmodellen archäologische, historische und indigene Perspektiven einbezogen werden sollten. Die Autor:innen konzentrieren sich dabei auf drei große Übergänge von Interaktionen zwischen Mensch und Umwelt in der Vergangenheit und stellen ein Bezugssystem zur Quantifizierung des Potenzials solcher Veränderungen vor, die weitreichende Auswirkungen auf das Erdsystem haben können.
„Zur Beurteilung des Risikos biogeophysikalischer Kippelemente in den Tropen einerseits und des Potenzials für rasche sozioökonomische Veränderungen andererseits, müssen wir prüfen, wie Gesellschaften in der Vergangenheit mit tropischen Wäldern interagiert haben und wie sich sowohl Gesellschaften als auch Wälder daraufhin verändert haben“, sagt Hauptautor Dr. Patrick Roberts, Leiter der isoTROPIC-Forschungsgruppe am MPI-GEA.
In den letzten Jahrzehnten wuchs die Erkenntnis über die große Bedeutung der tropischen Wälder für frühe menschliche Gesellschaften, und es zeigte sich, dass sie der Schauplatz für bedeutende soziale Übergänge mit großen ökologischen Auswirkungen waren. Mit der Einführung und Ausbreitung der Landwirtschaft, der aufkommenden Urbanisierung in den Tropen und der Ankunft des europäischen Kolonialismus als Fallbeispiele zeigt diese Veröffentlichung, wie Erkenntnisse aus archäologischen Forschungen, dem Studium historischer Archive und indigener Quellen mit Daten der Paläoumwelt kombiniert werden können, um Karten der Landnutzung und Vegetation über Raum und Zeit zu erstellen.
Diese Modelle der Veränderungen der Landnutzung und -bedeckung können mit Klima- und Bodenmodellen kombiniert werden, um ökologische Reaktionen auf menschenverursachte Veränderungen mit regionalen und globalen Konsequenzen zu messen.
„Diese neuen Herangehensweisen, die den Kreis schließen, um die soziokulturell-technologische Dynamik explizit in die Theorie, Analyse und Modellierung einzubringen, sind von entscheidender Bedeutung um die Dynamik des Mensch-Erdsystems von der tiefen Vergangenheit bis in die Zukunft zu verstehen“, fasst Prof. Jürgen Renn, Gründungsdirektor am MPI-GEA, zusammen.
Indem sie verstehen, wie die Interaktionen zwischen Mensch und Erde in den Tropen in der Vergangenheit die heutige Ökosystemdynamik geprägt haben, hoffen die Autor:innen mit ihrem Beitrag zukünftige ökologische Strategien und Prioritäten beeinflussen zu können.