Hunde und Wölfe sind gleichermaßen zur Zusammenarbeit fähig
Grundlegende Kooperationsfähigkeiten des Wolfes blieben bei der Domestikation des Hundes erhalten
Eine aktuelle Studie von Wissenschaftlerinnen der Max-Planck-Institute für Menschheitsgeschichte und für evolutionäre Anthropologie zeigt, dass Hunde und Wölfe gleichermaßen fähig sind, mit Partnern zu kooperieren, um eine Aufgabe zu lösen und an eine Belohnung zu gelangen. Bei Tests mit artgleichen Paaren waren Hunde und Wölfe ähnlich erfolgreich und effizient. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass grundlegende Kooperationsfähigkeiten bereits bei einem gemeinsamen Vorfahren von Hunden und Wölfen vorhanden waren und im Domestizierungsprozess nicht verloren gegangen sind.
Ein Hundepaar beim Lösen der Kooperationsaufgabe
Hunde wurde Schätzungen zufolge bereits vor rund 30-40.000 Jahren domestiziert. Im Laufe dieser Zeit haben sie gegenüber Wölfen, ihren wilden Verwandten, viele Veränderungen durchlaufen. In einer Ende Dezember im Journal of Comparative Psychology veröffentlichten Studie untersuchten Wissenschaftlerinnen der Max-Planck-Institute für Menschheitsgeschichte (Jena) und für evolutionäre Anthropologie (Leipzig), ob Hunde und Wölfe fähig sind, ihre Handlungen mit einem Artgenossen zu koordinieren, um eine Belohnung zu erhalten. Die getesteten Wölfe stammten aus dem Tierpark Petersberg und dem Wolfcenter Dörverden. Bei den Tests schnitten Hunde und Wölfe gleichermaßen gut ab. Das deutet darauf hin, dass die Fähigkeit zur Koordination bereits vor der Domestikation der Hunde in einem gemeinsamen Vorfahren vorhanden war. Die Wissenschaftlerinnen vermuten zudem, dass Hunde speziell für ihre Fähigkeit und Kooperationsbereitschaft mit dem Menschen selektiert wurden. Wahrscheinlich würden sie in dem Test noch erfolgreicher abschneiden, wenn ihr Kooperationspartner ein Mensch wäre.
Das Testszenario: Jagd auf ein großes Beutetier
Um die Kooperationsfähigkeit zu testen, gestalteten die Wissenschaftlerinnen ein Testszenario, das eine Jagdsituation nachahmen sollte. Dabei stellte man sich vor, dass zwei Tiere gemeinsam versuchen, ein größeres pflanzenfressendes Tier, wie einen Elch oder einer anderen hörnertragenden Art, zu erlegen. Das Konzept ging davon aus, dass in freier Wildbahn eines der Tiere die Aufmerksamkeit - und die gefährlichen Hörner - der potenziellen Beute auf sich lenken muss, damit das andere Tier von hinten angreifen und die Beute zu Fall bringen kann. Dadurch muss das Tier, das bei der Jagd das größte Risiko eingeht, zugleich darauf vertrauen, dass es am Ende einen Teil der Beute erhält. Die Testvorrichtung bestand aus einer T-förmigen Barriere, welche die Tiere von einer Belohnung (Futter) trennte. Links und rechts der Barriere befanden sich durch die Wissenschaftlerinnen verschließbare Öffnungen. Sobald sich bei einem Testdurchlauf erstmals ein Tier einer der Öffnungen näherte, wurde diese geschlossen, während die andere Öffnung offen blieb. So konnte das Tier, welches abgewartet hatte, zuerst an das Futter gelangen, während das aktivere Tier zuerst den Stamm des T's umrunden musste, um ebenfalls in das Areal mit dem Futter zu gelangen. Bei dieser Aufgabe mussten die Tiere damit in zweierlei Hinsicht kooperieren. Erstens, indem sie sich an den gegenüberliegenden Enden der Barriere positionierten und zweitens, indem sie ihre Annäherungen an die Barriere zeitlich aufeinander abstimmten.
Bei den Tests waren Hunde und Wölfe gleichermaßen erfolgreich und gelangten im Durchschnitt in drei von vier Fällen an das Futter. "Die Wölfe waren den Hunden in keinem Aspekt überlegen. Weder koordinierten sie ihr Verhalten besser noch kamen sie schneller oder häufiger zum Erfolg", erklärt Juliane Bräuer vom Max-Planck-Institut Menschheitsgeschichte, Erstautorin der Studie und Leiterin der Gruppe für Hundestudien am Institut. "Das ist etwas überraschend, da in anderen Studien mit komplexeren Kooperationsaufgaben Wölfe besser abschnitten als Hunde." Die Wissenschaftlerinnen vermuten, dass das überraschende Ergebnis auf die Einfachheit der von ihnen gestellten Aufgabe zurückzuführen sein könnte, deren Lösung möglicherweise nur grundlegende Koordinationsfähigkeiten erfordert.
Nicht die Art, sondern die Dynamik des Paares entscheidet, ob das Futter geteilt wird
Nachdem sie die Aufgabe gelöst hatten, teilten die Paare in den meisten Fällen das Futter. Das Teilen der Belohnung war jedoch wahrscheinlicher, wenn das dominante Tier erst an zweiter Stelle an das Futter gelangt war. „Die Tiere lösten die Aufgabe besser, wenn das dominante Tier die Arbeit erledigte und das Schließen der Öffnung herbeiführte. Damit nahmen sie zwar potentiell das Risiko auf sich, ihren Futteranteil nicht zu erhalten. Aber ihr höherer Rang sicherte ihnen offensichtlich ihren Anteil selbst wenn sie später zum Futter kamen als ihre sub-dominanten Partner.", erklärt Bräuer. Während das Forschungsteam also die Kooperation untersuchen wollte, stellte es sich heraus, dass auch der Wettbewerb innerhalb des Paares ein Faktor war.
Interessanterweise unterschieden sich jedoch Hunde und Wölfe darin, welches Tier des Paares bereit war, sich zuerst zu bewegen und dadurch das Schließen der Öffnung auszulösen und damit erst an zweiter Stelle an das Futter zu gelangen. Dominante Wölfe waren eher bereit, diese Aufgabe zu übernehmen als dominante Hunde, und zwar umso öfter, je öfter ein Paar die Nahrung teilte. Dominante Hunde hingegen ziehen es anscheinend vor, darauf zu warten, dass das andere Tier das Schließen der Tür herbeiführt. Wie zu erwarten war, wurde es umso wahrscheinlicher, dass sich das untergeordnete Tier zuerst bewegte, je häufiger das Paar das Futter teilte.
Komplexere Kooperationen müssen weiter untersucht werden
Die Autorinnen weisen darauf hin, dass die in der Studie untersuchte Art der Koordination vermutlich auf einfacheren Mechanismen beruht als eine bewusste Zusammenarbeit. Sie kann uns aber dennoch Hinweise geben, wie sich das kooperative Verhalten während des Domestizierungsprozesses verändert haben könnte - oder nicht. "Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die zur Koordination notwendigen Fähigkeiten bereits beim gemeinsamen Vorfahren von Hund und Wolf vorhanden waren", sagt Bräuer. "In zukünftigen Studien wäre es interessant, sich auf die Frage zu konzentrieren, wie genau Faktoren wie soziale Dynamik, Lebensbedingungen, Art der Aufgabe und vielleicht auch Rassenunterschiede das kooperative Verhalten von Hunden und Wölfen beeinflussen."