Drei Wissenschaftler des MPI für Menschheitsgeschichte erhalten Stipendien des Europäischen Forschungsrats
Gleich drei Anträge von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte wurden in der Auswahlrunde 2019 des Europäischen Forschungsrats mit ERC Starting Grants ausgezeichnet. Patrick Roberts und Robert Spengler, beide von der Abteilung für Archäologie, waren mit ihren Projekten PANTROPOCENE und FEDD erfolgreich. PANTROPOCENE widmet sich der Erforschung der Einflussnahme und Veränderung der Tropen durch den Menschen bereits in vorindustriellen Zeiten und FEDD untersucht die Domestikation und Verbreitung von Früchten in Eurasien seit der Vorgeschichte. Stephan Schiffels aus der Abteilung für Archäogenetik erhält Fördermittel für sein Projekt MICROSCOPE, welches anhand seltener genetischer Varianten die Bevölkerungsgeschichte der Eisenzeit in Europa untersucht. Alle drei Projekte werden auf die Dauer von 5 Jahren mit der möglichen Höchstsumme von 1,5 Millionen Euro gefördert. Der große Erfolg aller diesjährigen Antragsteller des Instituts unterstreicht die Stärke und Exzellenz des Forschungsumfeldes am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte.
PANTROPOCENE: Finding a Pre-industrial, Pan-tropical ‘Anthropocene’ (Auf der Suche nach einem vorindustriellen 'Anthropozän' in den Tropen)
Patrick Robert und seine Arbeitsgruppe werden im Rahmen des Projekts "Finding a Pre-industrial, Pan-tropical 'Anthropocene'", kurz PANTROPOCENE, untersuchen, in welchem Maße menschliche Aktivitäten in tropischen Wäldern Erdsystemänderungen auf regionaler und globaler Ebene ausgelöst haben könnten. PANTROPOCENE wird sich auf die vorkoloniale und koloniale Landnutzung über die Grenzen des ehemaligen spanischen Reiches hinweg konzentrieren, um eine "pan-tropische" Perspektive auf diese Frage zu erlangen. Das Projekt wird neuartige paläoökologische und archäologische Untersuchungen und Feldstudien auf dem philippinischen Archipel, dem oft vernachlässigten Zentrum Spanisch-Ostindiens, durchführen und gleichzeitig bestehende paläoökologische, archäologische und historische Aufzeichnungen aus den Tropen in Südamerika zusammenstellen, um eine vollständige Abdeckung der tropischen Gebiete des spanischen Reiches zu erreichen.
Die daraus resultierenden regionalen und globalen Charakterisierungen der Landnutzung zu präkolonialen, kolonialen und industriellen Zeiten werden genutzt, um herauszufinden, wie verschiedene Formen der Technologie, der Lebenshaltung und der Verwaltungsorganisation unterschiedliche Rückwirkungen auf Klima, Geomorphologie und Atmosphäre gehabt haben. Dies wiederum wird das Verständnis für das Tempo und die Bedrohung durch die gegenwärtigen Veränderungen der Landnutzung im Zusammenhang mit der endemischen Biodiversität auf den Inseln Südostasiens und den Tropen im weiteren Sinne beeinflussen.
FEDD: Früchte Eurasiens: Domestikation und Verbreitung
Eines der am meisten diskutierten Themen, das die Bio- und Sozialwissenschaften verbindet, ist die Domestikation von Pflanzen und Tieren; ein Großteil dieses Diskurses hat sich jedoch auf einige wenige Organismen konzentriert. Robert Spenglers Projekt "Früchte Eurasiens: Domestikation und Verbreitung", geht über den starken Fokus auf Getreide in Domestikationsstudien hinaus, um sich mit mehrjährigen Pflanzen mit langen Generationen, insbesondere Obst- und Nussbäumen, zu befassen. Archäobotanische und genetische Studien zeigen, dass diese Pflanzen auf einem ganz anderen Weg domestiziert wurden, und ihr früher Anbau repräsentierte neue Konzepte des Landbesitzes und des landwirtschaftlichen Wissens der Menschen.
Das FEDD-Team versucht, die Ursprünge einiger der der meistverbreiteten Früchte unserer heutigen Küche zu identifizieren und die evolutionären Prozesse besser zu verstehen, die sich aus der menschlichen Interaktion ergeben haben. Interessanterweise scheinen viele dieser Baumarten ihren Ursprung in den Bergen Zentralasiens zu haben und ihre Ausbreitung scheint den alten Handelsrouten der Seidenstraße entlang erfolgt zu sein. Deshalb erkunden Spengler und sein Team die Bergausläufer Innerasiens und beproben dort archäologische Stätten vom späten Pleistozän bis zu den mongolischen Eroberungen. Sie verwenden einen multidisziplinären Ansatz, um den frühen Anbau und die spätere Domestikation dieser Bäume entlang der alten Handelswege zu identifizieren. Zusammenfassend lässt sich sagen: Das FEDD-Team verfolgt den Weg, den die Früchte Eurasiens genommen haben, um schließlich auf unseren Tisch zu gelangen.
MICROSCOPE: Zooming into the Population History of Iron Age Europe with Rare Genetic Variants (Detaillierte Einblicke in die Bevölkerungsgeschichte Europas zur Eisenzeit mittels seltener genetischer Varianten)
Stephan Schiffels Projekt MICROSCOPE wird die vorrömische europäische Eisenzeit mit neuen genetischen Methoden untersuchen. Europäische Bevölkerungsgruppen seit der Bronzezeit weisen ein hohes Maß an genetischer Homogenität auf, was auf Jahrtausende der Vermischung und Zusammenführung der ursprünglich unterschiedlichen Abstammungslinien zurückzuführen ist, aus denen die Europäer heute bestehen. Um diesem Problem zu begegnen, widmet sich ein großer Teil des Projekts der Entwicklung neuer statistischer genetischer Methoden, die auf seltenen genetischen Mutationen basieren und die es ermöglichen werden, die subtile Populationsdynamik zu untersuchen, die notwendig ist, um Populationsbewegungen in der Vergangenheit abzuleiten.
Schlüsselelement des Projekts ist neben der Methodenentwicklung die Rekonstruktion von Prozessen auf Bevölkerungsebene wie Migrationen und Mischungen in der vorrömischen Eisenzeit. Zu diesem Zweck basiert das Projekt auf einer engen Zusammenarbeit zwischen genetischen und archäologischen Partnern. Dies wird zum einen qualitativ hochwertige Stichproben über den Zeitraum von 800-100 v. Chr. in Mitteleuropa und zum anderen Interpretation und Kontextualisierung genetischer Ergebnisse im Lichte archäologischer Daten gewährleisten. Ein besonderer Schwerpunkt des Projekts liegt auf der sogenannten "keltischen Welt", was die Assoziation dieser Zeit mit dem letzten großen kulturellen Phänomen Europas vor der Errichtung des römischen Reiches widerspiegelt.
Die ERC Starting Grants
Ziel des Europäischen Forschungsrates (ERC) ist es, grundlagenorientierte Spitzenforschung in Europa durch wettbewerbsfähige Finanzmittel zu fördern. Der ERC Starting Grant ist eines der begehrtesten Forschungsstipendien in Europa. Von mehr als 3000 Anträgen wurden in diesem Jahr 408 für eine Förderung ausgewählt, das sind rund 13 %. Das Stipendium wird Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern innerhalb von 2 bis 7 Jahren nach ihrer Promotion zur Finanzierung hervorragender und wegweisender Ideen gewährt. Die ausgezeichneten Wissenschaftler/-innen erhalten eine Förderung von bis zu 1,5 Millionen Euro pro Stipendium, um eine eigene Forschungsgruppe zu gründen bzw. zu erweitern und ihr Projekt über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren zu realisieren.
Weitere Informationen zur Auswahlrunde 2019 des ERC in englischer Sprache: https://erc.europa.eu/news/StG-recipients-2019