Vorfahren der biblischen Philister kamen aus Europa
Die Analyse alter Genome deutet darauf hin, dass die Philister von Menschen abstammten, die über das Mittelmeer migrierten und zu Beginn der Eisenzeit die Ufer der östlichen Mittelmeer-Küste erreichten.
Die Philister sind aus dem Alten Testament als die Erzfeinde der Israeliten bekannt. Die alten Texte berichten jedoch wenig über ihre Herkunft. Lediglich im Buch Amos, Kapitel 9, Vers 7 heißt es, die Philister seien aus "Kaphtor" (bronzezeitlicher Name für Kreta) gekommen. Ägyptologen stellten bereits vor mehr als einem Jahrhundert die These auf, dass die biblischen Philister mit einer Gruppe identisch seien, die in Texten aus dem späten 12. Jahrhunderts v. Chr. "Peleset" genannt wird. Und hieroglyphische Inschriften der Ägypter postulieren, dass die Peleset von den "Inseln" angereist seien. Dabei hätten sie das heutige Zypern sowie die türkische und syrische Küste angegriffen und schließlich versucht, Ägypten einzunehmen. Dies war der erste Hinweis darauf, dass sich die Suche nach der Herkunft der Philister auf das späte 2. Jahrtausend v. Chr. konzentrieren sollte.
1985 nahm die Leon Levy Expedition (1985-2016), ein Projekt des Semitischen Museums der Universität Harvard, die Suche nach der Herkunft der Philister in Ashkelon auf, dem Alten Testament zufolge eine der fünf Hauptstädte der Philister. Unter der Leitung von Lawrence E. Stager, dem mittlerweile verstorbenen Gründer des Projekts, und seinem Nachfolger, Daniel M. Master, einem der Autoren der Studie, gelang es dem Team, bedeutende Veränderungen in der Lebensweise im 12. Jahrhundert v. Chr. in Ashkelon aufzudecken, die mit der Ankunft der Philister in Verbindung gebracht werden konnten. Vielfach wurde jedoch argumentiert, die kulturellen Veränderungen seien lediglich durch kulturellen Austausch und eine Nachahmung fremder Stile zustande gekommen und nicht mit einer bedeutsamen Zuwanderung von Menschen einhergegangen.
Die neue Studie basiert auf mehr als dreißig Jahren archäologischer Arbeit und genetischer Forschung unter Verwendung modernster Methoden und Technologien. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass das in Erscheinung treten der Philister an der Küste des heutigen Israels mit einer Zuwanderung von Menschen aus dem Westen am Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit einherging.
Genetische Diskontinuität zwischen Bronze- und Eisenzeit in Ashkelon
Dem Forschungsteam ist es gelungen, aus menschlichen Überresten das Erbgut von zehn Menschen, die in der Bronze- und in der Eisenzeit in Ashkelon lebten, zu rekonstruieren und zu vergleichen. Dabei zeigte sich, dass der größte Teil der genetischen Abstammung über den gesamten Zeitraum hinweg aus dem lokalen levantinischen Genpool stammte. Jedoch wiesen Menschen, die in der frühen Eisenzeit in Ashkelon lebten, eine europäische Abstammungskomponente auf, die in ihren bronzezeitlichen Vorfahren nicht vorhanden war.
"Dieser genetische Unterschied ist auf den Genfluss zurückzuführen, der am Ende der Bronzezeit oder zu Beginn der Eisenzeit von Westen aus über das Mittelmeer nach Ashkelon gelangte. Diese Datierung steht im Einklang mit den auf archäologischen und schriftlichen Aufzeichnungen beruhenden Schätzungen zur Ankunft der Philister an der Küste der Levante", erklärt Michal Feldman vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, Erstautorin der Studie. "Während unsere Modellierung einen südeuropäischen Genpool als plausible Quelle vorschlägt, könnten zukünftige Stichproben helfen, genauer die Populationen zu bestimmen, welche die europäische Komponente in Ashkelon einführten."
Kurzlebiger Einfluss der europäischen Komponente
Bei der Analyse der DNA von Menschen, die in der späteren Eisenzeit in Ashkelon lebten, war die europäische Komponente nicht mehr nachzuweisen. "Innerhalb von nicht mehr als zwei Jahrhunderten ist der genetische Fußabdruck, der in der frühen Eisenzeit eingeführt wurde, nicht mehr nachweisbar und scheint in einem lokalen Genpool aufgegangen zu sein", sagt Choongwon Jeong vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, einer der korrespondierenden Autoren der Studie.
"Während den alten Texten zufolge, die Menschen von Ashkelon im 1. Jahrtausend v. Chr. für ihre Nachbarn "Philister" blieben, war eine Unterscheidung aufgrund ihrer genetischen Ausstattung nicht mehr gegeben, vielleicht aufgrund von Mischehen mit den lokalen Bevölkerungsgruppen um sie herum", erklärt Master.
"Diese Daten beginnen, eine zeitliche Lücke in der genetischen Karte der Ostmittelmeerküste zu schließen", erklärt Johannes Krause, Direktor am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte und Leiter der Studie. "Gleichzeitig stellen wir durch die vergleichende Analyse der menschlichen Überreste von Ashkelon fest, dass sich die einzigartigen kulturellen Merkmale der frühen Philister in einer spezifischen genetischen Signatur widerspiegeln."